Angelika HauffeBewegend von innen – Regionalredakteurin lebt mit der Krankheit ALS
Angelika HauffeBewegend von innen – Regionalredakteurin lebt mit der Krankheit ALS
Jack OrchardUnternehmer, Finanzfachmann, Kämpfer
Joe MartinAutor, Pionier
Bewegend von innen – Regionalredakteurin lebt mit der Krankheit ALS
entnommen der Chorzeitschrift „Unisono“ des Sächsischen Chorverbandes, Heft 1/2015
Es klackt geschäftig, ist bis vors Haus durch das aufgeklappte Fenster zu hören. Drinnen wandern Angelika Hauffes Augen flink über den einen von zwei großen Flachbildschirmen, die über ihrem Bett angebracht sind. Ihr gesamter Körper liegt bewegungslos, die Arme sind aufgedeckt und liegen starr daneben. Fixiert Frau Hauffe einen Buchstaben auf der digitalen Tastatur des Computerbildschirms, klackt es und er erscheint auf dem Eingabefeld darüber. So reiht Frau Hauffe Buchstabe an Buchstabe, Wörter werden zu Sätzen. Dann geht ihr Blick auf die „Sprich“-Taste. „Schön, dass Sie da sind“, ertönt es im Raum, als würde sie selbst sprechen, wenn auch mit Computerstimme. Das herzliche Lächeln dazu kommt von ihr selbst.
Dieser augengesteuerte Computer sei „ein riesengroßer Segen“, erzählt die frühere Vorstands- und jetzige Ehrenvorsitzende des Stadtchores Zittau. Dadurch ist sie sogar in der Lage ehrenamtlich für den Sächsischen Chorverband zu arbeiten, als Regionalredakteurin für die Chorzeitschrift „Unisono“. Der PC gebe ihr ein wertvolles Stück Selbstständigkeit, auf das sie sonst auch noch komplett verzichten müsste. Denn die 62-Jährige lebt seit 12 Jahren mit ALS. Inzwischen ist sie komplett gelähmt, wird invasiv beatmet und über eine Magensonde ernährt. „Das Geniale ist, dass ich geistig komplett fit bin“, sagt Frau Hauffe. Deswegen konnte sie alles selbst entscheiden.
Sie haben alles richtig gemacht, sind sich Angelika und Wolfgang Hauffe einig. „Viele lehnen die Geräte ab“, berichtet der Ehemann, aber das solle man sich wirklich überlegen. „Ohne künstliche Beatmung wäre ich schon 7 Jahre nicht mehr“, ergänzt Frau Hauffe. Sieben wertvolle Jahre, „denn das Leben ist zu wertvoll“, sagt sie. So sieht sie ihre Enkel heranwachsen und verfolgt die berufliche Entwicklung ihrer beiden Söhne. Das möchte Frau Hauffe auf keinen Fall missen, genauso wie die ersten Morgenstunden am Frühstückstisch. Den täglichen Mini-Ausflug raus in den Garten, „eine rauchen“, witzelt sie und die vielen anderen Lacher, hinter denen oftmals sie selbst steckt. „Was würde es nützen, wenn ich den ganzen Tag schlechte Laune hätte?“, fragt sie. Passend dazu hat sie Charlie Chaplins Motto auch zu ihrem gemacht: „Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag“.
Auf ihrer Homepage, die sie selbst aktuell hält, erzählt Angelika Hauffe über das Leben mit ALS, informiert und berät Interessierte und Betroffene „Ich möchte Menschen Mut machen, ihr Leben, egal unter welchen Umständen, zu meistern“, tippen ihre Augen auf den Bildschirm. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein möglichst langes Leben mit ALS ist vermutlich eine so offene und positive Einstellung einer Angelika Hauffe aus Zittau.
Unternehmer, Finanzfachmann, Kämpfer
Entnommen aus stlbeacon.org
Als Jack Orchard erfuhr, dass sich sein langer Kampf mit ALS dem Ende neigt, erstellte er den Jack Orchard Memory Blog und lud seine Freunde dazu ein, ihn mit „Geschichten über die zusammen verbrachte Zeit zu füllen“. Er legte nur eine einzige Regel fest: „Schreibt unbedingt von den Momenten, in denen ich mich zum Arsch machte.“
Diese Einladung war typisch für seinen bitteren Humor. Nichtsdestoweniger verbanden sich die meisten seiner Erinnerungen mit Bewunderung und Dankbarkeit für eine erfüllte Lebenszeit. Jack Orchard bereitete sich auf den Tod auf dieselbe Art und Weise vor, wie er lebte: mit Würde, Entschlossenheit und Ziel.
„Schon als er klein war, erkannten alle, dass Jack hochdiszipliniert und zielorientiert ist“ sagt seine Mutter, Lois Orchard, eine Experimentalpsychologin. „Eine Eigenschaft, die er beim Aufwachsen bewies, war die Fähigkeit, sich Ziele zu setzen und diese solange zu verfolgen, bis sie erreicht wurden. Er plante wie die Ziele zu erreichen sind, und war in der Lage, andere Menschen dazu zu verleiten, ihm dabei zu helfen.“
„Seine Wohlfühlzone waren tiefe Gewässer“, setzt sie fort. „Alles, was er tat, war fast unmöglich.“
Ein unmögliches Leben
Eine der unglaublichsten Dinge, die Jack tat, war es, ein 183-seitiges Buch zu schreiben, nachdem fast sein gesamter Körper außer Gefecht gesetzt worden war, seine Finger und seine Stimme mit eingeschlossen: Er schrieb seine Memoiren „Extra Hands – Grasping for a Meaningful Life“ (dt. Extra-Hände – das Greifen nach einem sinnvollen Leben) – mit seinen Augen. Er lernte, wie man Eyegaze EDGE benutzt, einen speziellen Computer, der die Augenbewegungen verfolgt, und Buchstaben auf den Bildschirm bringt, und zwar so schnell wie nur irgendwie möglich. Die Erlöse aus diesem Buch wurden dazu verwendet, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, Extra Hands – ALS. Ihr Ziel, Studenten und Schüler als Helfer mit ALS-Erkrankten zusammenzubringen, weil, wie er sagte, „ALS eine einsame Krankheit sein kann“.
Extra Hands prägte sein Leben seit 1980, als er steil auf der Leiter seiner Karriere als Finanzberater kletterte und der Sowjetunion bei der Modernisierung ihrer Finanzbranche half. Ein junger Mann, bei dem ALS diagnostiziert wurde – Amyotrophe Lateralsklerose.
ALS ist eine unheilbare, tödlich neurodegenerative Krankheit, die die Nervenzellen im Gehirn und in der Wirbelsäule angreift. Sie nimmt einem langsam und unvermeidlich die Fähigkeit, sich zu bewegen. Nachdem Jack von seiner Erkrankung erfahren hatte, schrieb er: „Ganz gleich, ob ich gleich sterbe oder langsam zu meinem Ende hingleite, erst jetzt verstehe ich, dass nur ich es bin, der darüber entscheidet, welche Bedeutung mein Leben hat… Ich starrte mein Gesicht im Spiegel an und dachte: Such dir eine Beschäftigung, du Dummkopf.“
Und wie er sich eine suchte! Er begann sofort damit an, Recherchen über ALS anzustellen und nach Wegen suchen, anderen zu helfen. Seine Suche führte ihn zu Jamie Heywood, deren Bruder an ALS gestorben war und deren Familie das ALS Therapy Development Institute gründete. Er bat Heywood um Hilfe, doch Heywood sagte ihm, dass er derjenige sei, der in diesem Fall Hilfe leiste.
„Jack war der Antriebsmotor für unsere Organisation“, sagte Heywood. „Die Orchards waren die zweite oder dritte Familie, die sich für das Institut einsetzte. Jack leistete geschäftliche Beratung und half beim Organisieren. Er hatte die Vision, zuerst Forschungsprogramme durchzuführen und dass Kinder aus den Schulen und den Gemeinden helfen könnten.“
„Er fragte nicht nach dem Warum, er machte einfach das Beste draus. Er setzte viel Großartiges in Bewegung – ein Zeugnis von einem großartigen Menschen. Ich kann mich immer noch erinnern, wie Jack lächelte, als er mit glänzenden Augen über seine neuen Ideen sprach. Schon sehr früh, ohne zu zögern, entschied er, dass das der Ort sein würde, an dem er sich verewigen wollte.“, erzählt sie. Bereits als Kind, lange bevor ALS sein Leben beeinflusste, war Jack entschlossen, seine Spuren auf dieser Welt zu hinterlassen.
Keine Zeit zum Schlafen
„Er sorgte ständig dafür, etwas Wichtiges zu tun zu haben“, erinnert sich seine ältere Schwester, Connie Hoffman. „Er arbeitet extrem hart – und zwar immer. Als Kind war er schon darauf versessen, erfolgreich zu sein. Ich erinnere mich an die Zeit im College Johns Hopkins – Jack war um die 13, ich um die 19 – ich rief zu Hause an und er war mitten in der Nacht noch wach. Ich fragte ihn, wieso. Er antwortete: ‚Ich habe gerade Lust, zu lernen und gehe später schlafen.‘“ Wie es sich zeigte, war Schlaf das Einzige, das Jack bereit war aufzuschieben.
Er wurde in St. Louis im August 1967 geboren und schloss die Community School im Jahr 1979 mit Bestnoten ab.1985 war er der Kapitän der Fußballmannschaft der John-Burroughs-School. Er meisterte einen Abschluss der Harvard University mit Auszeichnungen im Jahr 1989 und einen weiteren an der Stanford University Graduate School of Business im jahr 1995. Er lebte und arbeitete hauptsächlich in Russland.
Die Welt zu einem besseren Ort machen
Jack Orchard war der Gründer und Geschäftsführer von Extra Hands for ALS und der Jack Orchard ALS Foundation, beide 2002 gegründet. Doch bevor er anfing, gegen ALS zu kämpfen, war er Gründer und Direktor einiger Unternehmen, u.a. iSpringboard, Red Square Software, United Financial Group.
Im Jahr 2005 war Orchard einer von neun Finalisten für den Volvo Life Award, einen Preis, den nur diejenigen bekommen, die mehr für andere tun, als gewöhnliche Verpflichtungen dies erfordern.
„Auf dieser Welt gibt es Gestaltende und die, die sich anpassen“, sagt Marc Spier, der zusammen mit Jack die Stanford UNiversity besuchte und bei Extra Hands mit an Bord war. „Jack, durch seine DNA, war ein Gestalter, der sich an ihn überwältigende Bedingungen und Beschränkungen angepasst hat. Er war gezwungen, sich an die Beschränkungen anzupassen, doch er lebte sich aus und veränderte die Welt.“
Autor, Pionier
Entnommen aus https://www.joemartinalsfoundation.org/
Nachdem bei Joe Martin die Lou-Gehring-Krankheit* diagnostiziert wurde, entschied er sich, da die Krankheit nicht geheilt werden kann, die Diagnose zu heilen. Er beschloss, sein Leben so aktiv wie möglich zu leben und anderen zu helfen, dasselbe zu tun. Die Stiftung, die seinen Namen trägt, ließ seine Vision wahr werden.
Kurz bevor er in Rente ging, war Joe Martin der leitende Beauftragte für Geschäftsangelegenheiten der Bank of America. Er verantwortete die PR-Strategien, Beziehungen zu der Regierung und zu den Medien, auch die Beiträge für wohltätige Zwecke unterstanden seiner Regie. Während seiner Führung stieg das Volumen der gemeinnützigen Beteiligung von weniger als 500.000$ im Jahr 1973 auf über 30 Mio. $ im Jahr 2001.
Joe organisierte auch die bankinterne Entwicklungsgesellschaft (Community Development Corporation, CDC), die erste dieser Art im Land. Durch CDC und andere Programme wurde die Bank zu einem Marktführer für erschwingliches Wohnen und innerstädtische Stadtentwicklung.
Nachdem ihm im Oktober 1994 gesagt worden ist, er habe nur noch 20 Monate zu leben, schrieb er: „Dieser Tag wurde von Gott gegeben. Steh auf, geh in den Park und mach das Beste draus.“ Dies war sein Credo für das Leben mit der Krankheit. Er war fest entschlossen, so aktiv wie möglich zu leben und anderen zu helfen. Mit Hilfe seines Bruders, dem ehemaligen Gouverneur von North Carolina, Jim Martin, unterstützte er den Aufbau des Carolina Neuromuscular/ALS Center, dem einzigen Standort im Südosten der USA für die Behandlung neuromotorischer Krankheiten.
Am 22. November 1998 positionierte Joe seinen Rollstuhl vor seinem Eyegaze-Computer und fing an, das Buch On any given day (dt. An einem beliebigen Tag) zu schreiben – seine Autobiographie über das Leben mit ALS. Er wollte Menschen nicht zeigen, wie man stirbt, sondern wie man lebt. Joe schrieb, dass sich Menschen, mithilfe ihrer Ärzte, Familienangehörigen, Freunde und Gott, völlig auf ihr Leben einlassen können.
Die Hoffnung, die Liebe und das Gefühl der Sinnhaftigkeit des Lebens ließen die 20 vorausgesagten Monate zu 12 Jahren werden. Sie waren gefüllt mit der Dankbarkeit für das Leben mit seiner Familie, mit dem Einsatz für seine Gemeinde und mit seinen Beiträgen zur Verbesserung der medizinischen Fürsorge für ALS-Erkrankte.